Ajoie – erfolglos erfolgreich und das wichtigste Team der Liga
Aufstieg und Relegation gehören zur DNA der europäischen Ligen. Im Eishockey wie im Fussball. Das war schon immer so und wird immer so sein. Die Forderung nach mehr Durchlässigkeit und einem direkten Auf- und Absteiger zwischen unseren beiden höchsten Spielklassen ist so gesehen richtig. Aber naiv. Weil nicht umsetzbar. Die Klubs der National League werden weder einer Reduktion von 14 auf 12 oder gar 10 Teams noch einem direkten Auf- und Abstieg zustimmen.
Inzwischen sind die direkte Promotion und Relegation auch nicht mehr erforderlich. Weil Ajoie der wichtigste Klub unseres Profihockeys geworden ist. Ajoie ist ein weltweites Unikum im Profihockey und ein Glücksfall. Ein Klub, der so oft verliert, einfach nicht vom letzten Platz wegkommt und keine realistischen Aussichten auf sportliche Fortschritte hat, ist in keiner Liga der Welt überlebensfähig.
Aber der HC Ajoie ist es. Nach wie vor kommen im Schnitt mehr als 4000 Fans zu den Heimpartien. Ajoies Heimspiele sind inzwischen mehr eine Kulturveranstaltung, die weit über den Sport hinausgeht als ein kompetitives Hockeyspiel: Der Kanton feiert sich selbst auf einer nationalen Bühne. Und wunderbar passt, dass der HC Ajoie diese Saison alle drei bisherigen Siege gegen die Klubs aus der ehemaligen «Kolonialmacht» Bern (Langnau, SCB) gefeiert hat, gegen die in den 1970er-Jahren die Unabhängigkeit erstritten worden ist. Das könnte nicht einmal Hollywood erfinden.
Ajoie dürfte heute weltweit das erfolgreichste erfolglose Team im Profihockey sein. Das ist gut für die National League. Denn dank Ajoie kann inzwischen jede Forderung nach einem direkten Auf- und Abstieg getrost ignoriert und auch die Lizenzkommission aufgelöst werden. Dieses «Operetten-Gremium» erteilt jeweils aufgrund eingereichter und freihändig gestalteter Unterlagen, ob ein Klub aus der Swiss League eine Aufstiegsbewilligung bekommt. Braucht es nicht mehr.
Aus einem einleuchtenden Grund: Mit Ajoie hat die National League ein Team, das sportlich ungefähr auf dem Niveau eines Spitzenteams der Swiss League ist. Das bedeutet: Wer aus der Swiss League aufsteigen will und nicht dazu in der Lage ist, in einer Liga-Qualifikation über sieben Spiele Ajoie zu bodigen, hat sportlich in der höchsten Liga nichts zu suchen. Wer nicht fähig ist, in der zweithöchsten Liga so aufzurüsten, dass es wenigstens gegen Ajoie reicht, hat erst recht wirtschaftlich oben nichts verloren. Da braucht es keine Lizenzkommission, um festzustellen, dass das Geld nicht reicht.
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
-
Er ist
-
Er kann
-
Erwarte
Die Swiss League braucht dringend eine Reform. Es gibt inzwischen kluge Ansätze, die der Verband in der Zeitspanne von zwei Jahren in Alleinregie und ohne die National League zu fragen, durchziehen kann: Zusammenlegung der Swiss League mit der MyHockey League und Regionalisierung oder gar die Integration der höchsten Juniorenliga in die zweithöchste Spielklasse. Was es aber nicht braucht, ist eine Modus-Änderung beim Auf- und Abstieg, die nur mit Zustimmung der National League zu haben wäre.
Bleibt noch die Frage, ob es überhaupt noch einen Klub mit realistischen Aufstiegschancen in die National League gibt.
Die Antwort ist ernüchternd: Nein, den Klub gibt es nicht mehr. Der EHC Basel ist Kevin Schläpfers unterhaltsame Roadshow durch die Hockeyprovinzen, Visp seit Jahren ein Operetten-Aufstiegskandidat, der im letzten Frühjahr nicht einmal dazu in der Lage war, die Liga-Qualifikation mit vier Ausländern zu bestreiten. Olten ist zwar «Hockey-Town», schöpft aber mehr Energie aus den Erinnerungen längst vergangener ruhmreichen Zeiten als aus Aufstiegshoffnungen und La Chaux-de-Fonds hat seine Jahrhundertchance im Frühjahr 2023 in der Liga-Qualifikation verspielt und sich seither von dieser Enttäuschung nicht mehr richtig erholt. Und sowieso reicht das Geld in La Chaux-de-Fonds nicht einmal, um ein zweites Ajoie zu werden.
Und Sierre? Wenn denn das Projekt einer neuen Arena verwirklicht wird und Chris McSorley die Lust noch nicht verloren hat, dann ist Sierre der einzige Klub, den Ajoie mittelfristig fürchten muss.
Warum dann überhaupt noch die Playouts zwischen dem 13. und 14. der NL-Qualifikation und anschliessend die Liga-Qualifikation austragen? Erstens ist die Aussicht, eine Playoffserie gegen das lottrigste Team der höchsten Liga spielen zu dürfen, ein schöner Bonus für den Meister der Swiss League.
Und es führt zweitens dazu, dass Ajoie eben doch darauf achten muss, konkurrenzfähig zu bleiben, sich sportlich nicht einfach gehen lassen kann und jedes Jahr sorgfältig auf den richtigen Zeitpunkt der Trainer-Entlassung achten muss. Ohne Playouts und Liga-Qualifikation würde Ajoie sportlich komplett verlottern und verwahrlosen. Kommt dazu, dass die Schmach, gegen Ajoie die Playouts bestreiten zu müssen, ein heilsamer Schock für einen Titanen sein kann.
Inzwischen deutet vieles darauf hin, dass Lugano durch die Playouts gegen Ajoie im letzten Frühjahr kuriert worden ist. Die Playouts wären auch eine heilsame Therapie, um den SCB vom Grössenwahn zu heilen.
Dank Ajoie haben die etablierten Klubs eine «Sicherheitszone», die sie vor der Relegation bewahrt. Dafür müsste Präsident Patrick Hauert (seit 1999 im Amt) eigentlich eine Verdienstmedaille der Liga bekommen.
Eine Ehrenrunde zur sportlichen und wirtschaftlichen Sanierung wie sie zuletzt Langnau, die Lakers und Kloten erfolgreich absolviert haben, ist inzwischen nicht mehr machbar. Die Differenz ist im finanziellen Bereich zwischen den beiden höchsten Ligen zu gross geworden.
Und was wäre, wenn entgegen allen Erwartungen doch ein etablierter NL-Klub in der Liga-Qualifikation auf der Strecke bleiben würde? Ambri, Kloten, die Lakers oder Langnau? Kein Problem, dann würde der vermeintliche Absteiger begnadigt und die Liga vorübergehend auf 15 Teams aufgestockt.
Gegen ein solches Ansinnen mag sich Liga-Manager Denis Vaucher vehement und mit Händen und Füssen sträuben – es käme doch so. Denn heute gilt wie noch nie in der Geschichte unseres Hockeys: Money talks.
